Lexikon der Zusatzstoffe
E 120 Echtes Karmin
Natürlicher Farbstoff, auch als Cochenille bekannt. Gewonnen wird er aus den befruchteten und getrockneten Weibchen der Scharlachschildlaus (Dactylopius cacti), die auf Kakteen (v. a. Opuntien) gedeihen. Sie werden in sog. Nopalerien gezüchtet. Die flügellosen Zucht-Insekten sind etwa so groß wie Marienkäfer, aber von graubrauner Färbung. Sie saugen sich an der Wirtspflanze fest und verharren dort bis zum Tode. Die Männchen sehen aus wie kleine rote Fliegen, sie begatten die unbeweglichen Weibchen.
Der Farbstoff, der in den Eiern der trächtigen Läuse steckt, wurde bereits von den Azteken zum Malen und Färben verwendet. Um das Jahr 1523 begann der Export nach Europa, vor allem um damit Seide scharlachrot einzufärben. Karmin war zeitweise nach Gold und Silber das wichtigste Exportprodukt der spanischen Kolonien in Südamerika.
Die Entdeckung des stabilen künstlichen Farbstoffs Fuchsin im Jahre 1856 und später des Cochenillerot A (E 124), die beide viel billiger zu synthetisieren waren, verdrängte den farbigen Läuse-Extrakt. Heute ist er wieder beliebt als „natürlicher Farbstoff“ in Lippenstiften, vegetarischem Wurstersatz, Getränken, Süßwaren und Desserts. Die Kritik der Veganer am Karmin ist nicht nachvollziehbar. Die zum Färben verwendete Läusemenge ist minimal im Vergleich zum unbemerkten Mitverzehr von Läusen auf pflanzlichen Lebensmitteln, wie Gemüse und Kräutern.
Obwohl echtes Karmin chemisch betrachtet zu den Anthrachinonen zählt, die über einige ebenso natürliche wie giftige Vertreter verfügen, erwies es sich im Tierversuch als harmlos. Der Farbstoff kann aber aufgrund von Eiweißresten gelegentlich Allergien auslösen. Inzwischen stehen eiweißfreie Farbextrakte zur Verfügung.
Bewertung: Echtes Karmin gilt als unbedenklich, nicht zuletzt weil es seit Jahrtausenden in großem Stile erfolgreich benutzt wird.