Lexikon der Zusatzstoffe
Zitrusfasern
„Multifunktionales“ Additiv, das je nach „Zubereitung“ andere Wirkungen entfaltet, dabei aber stets für ein „Clean Label“ sorgt. Bisher waren Zitrusschalen in erster Linie ein Futtermittel für Rinder. Inzwischen ersetzen die aufbereiteten Fasern Verdickungsmittel, Stabilisatoren und Emulgatoren. Sie wirken als Feuchthaltemittel, regulieren das Mundgefühl, stabilisieren Schäume, dienen als Füllstoffe, Glasurmittel und Gefrier-Tau-Stabilisatoren, um nur einige der Einsatzzwecke zu nennen.
Ausgangsstoff sind die Reste der Saftherstellung. Schalen und ausgelaugtes Fruchtfleisch werden zerkleinert, mit Kalkmilch (E 526) entsäuert, mit Natronlauge (E 524) entbittert, mit Chlordioxid oder Wasserstoffperoxid entfärbt und mit einem Lösungsmittel entaromatisiert. Anschließend wird das Pektin (siehe E 440) mit Säure und/oder Enzymen extrahiert. Übrig bleiben die Zitrusfasern, also die „ausgelutschten“ Reste („Exhausted Citrus Peel“).
Die Kunst besteht darin, die Extraktion so zu führen, dass definierte Anteile der Pektine in den Fasern verbleiben, wodurch sich deren Eigenschaften steuern lassen. Ebenso wichtig ist eine anschließende Zerkleinerung durch Hochdruck-Homogenisierung, Kolloidmühlen, Ultraschall oder Extrusion. Die Vergrößerung der Oberfläche sorgt für eine schnelle Absorption und gutes Quellvermögen.
Vorteilhaft bei glutenfreien Broten, die erhöhte Wasseraufnahme verbessert das Kaugefühl. Soll ein Teil des Mehles durch Insektenpulver ersetzt werden, korrigieren Zitrusfasern mangelhafte Backeigenschaften. Kaum ein Lebensmittel, das sich nicht damit „verbessern“ bzw. verbilligen ließe, egal ob Kroketten, Fischstäbchen, Fruchtdesserts oder Getränke, insbesondere Smoothies. Es ersetzt in Schokolade Kakaobutter, eignet sich zum Strecken von Kokosmilch, verleiht „Mandeldrinks“ Milchimpressionen und Speiseeis Cremigkeit. Wichtig für vegane Produkte als Ei-Ersatz (Mayo, Kuchen) und zum Stabilisieren pflanzenbasierter Füllungen in Wursthüllen.
Zitrusfasern eignen sich zur Herstellung hochwertiger Papiere, Flüsterasphalt, Batterien, Plastik, Frackingflüssigkeit (Ersatz für Guar E 412), und als Alternative zu ökologisch umstrittener Baumwolle in Textilien. Vielleicht lassen sich dann aus alten Socken wieder lecker Zitrusfasern für Lightbrot oder Zitronenkuchen recyceln, was die gefühlte Ökobilanz bei Tisch verbessert.
Die hohe Wasserbindungskapazität bedient den Nutriscore: Je mehr wertgebende, nährende Zutaten durch Wasser und recycelte Reststoffe ersetzt werden, desto höher der Score. Über gesundheitliche Aspekte der gefinkelten Fasern ist außer Phrasen („gesunde Ballaststoffe“) nichts bekannt.
Bewertung: Wer auf Original-Zitrusfasern Wert legt, schält eine Orange und verspeist sie. Bitte die ungenießbaren Schalen sachgerecht entsorgen, sie sind nicht für Smoothies geeignet.